Kinder dieser Welt
Als die Verfasser dieses Editorials selber noch zur Schule gingen, waren Kinderlieder aus aller Welt ein unbeschwertes Thema. Man sang eingedeutschte und eingängige Lieder, die vermeintlich aus irgendeinem anderen Land stammen sollten. Angehörigen dieser Länder war aber noch nie jemand begegnet. Solche Lieder wurden ohne größere Bedenken als N.-, Ind.- oder Esk.-lieder bezeichnet. Dahinter verbarg sich keine böse Absicht, man wusste es einfach nicht besser. Das hat sich inzwischen geändert, denn weltweite Medien und Popmusikkulturen, preiswerte Flugverbindungen in alle Länder, aber auch globale Flüchtlingsströme bringen inzwischen Menschen aus allen Ländern und Kulturen zusammen. Deswegen ist das aktuelle Heftthema, Kinder dieser Welt, äußerst vielschichtig.
Ein paar Beispiele: In den Sommerferien sind viele Schulkinder mit ihren Eltern zum Urlaub im Ausland gewesen und hatten dort vielleicht Begegnungen mit Kindern aus anderen Ländern. Gut möglich, dass dabei gemeinsam gespielt, gesungen, getanzt und Musik gehört wurde. Schon das kann dafür gesorgt haben, dass sich hinterher der eigene Horizont um neue Anregungen, Erfahrungen und Erkenntnisse erweitert hat. Auf der anderen Seite sind Kinder anderer Nationen in Deutschland, wofür es gleich mehrere Gründe geben kann. Manche sind nur zum Urlaub eingereist und zwei bis drei Wochen später wieder weg; andere sind zu uns gekommen, weil ihre Eltern in Deutschland arbeiten wollen; wieder andere sind hierher geflohen, weil in ihrer Heimat Krieg herrscht oder sie wegen ihrer Gesinnung verfolgt werden. Die beiden letztgenannten Gruppen fahren nicht am Ende der Ferien wieder nach Hause, sondern bleiben für längere Zeit, vielleicht sogar für immer.
Es kann deswegen gut sein, dass zum Schulbeginn nach den Ferien im Klassenzimmer Kinder sitzen, die eine andere Sprache sprechen, mit einer anderen Kultur, anderen Musik und anderen Lebensgewohnheiten aufgewachsen sind. Sie gehören ab dann zwar zur offiziellen Klassengemeinschaft, aber ein gegenseitiges Fremdeln wird kaum zu vermeiden sein. Unkenntnis über den jeweiligen sozialen und kulturellen Hintergrund kann erstmal Vorsicht, Berührungsangst oder auch Ablehnung zur Folge haben.
Für Lehrkräfte ist diese Situation eine Herausforderung, denn natürlich soll die Klasse zu einer Gemeinschaft werden, sollen sich die Kinder wie Kinder aus ein und derselben Welt fühlen, aber wie das geht und wie gegenseitige Vorurteile abgebaut werden können, hat so gut wie keine Lehrkraft in ihrer Ausbildung gelernt. Im Basisbeitrag beschreibt Dorothee Barth, die sich an der Universität Osnabrück seit vielen Jahren mit interkultureller Musikerziehung beschäftigt, das Phänomen und – wichtiger noch – gibt Hinweise und Impulse, wie wir als Unterrichtende damit umgehen können.
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