Gaul, Magnus (Hg.)

Zukunftsmusik

Förderung musikalischer Potenziale in Kindergarten und Grundschule

Thema: Bücher
Verlag/Label: Schott Music, Mainz 2009
erschienen in: Musik in der Grundschule 2010/02 , Seite 55

Ein interessantes Buch. Einerseits ist es der Kongressbericht einer gleichnamigen internationalen Projektwoche im März 2008 in Frankfurt/Main. In 15 Beiträgen erkennt man theoretische und praktische Aspekte einer Vision von moderner musikalischer Förderung von Grund auf. Kita-Arbeit, Musiktherapie, Musik in der Schwerhörigenpädagogik, Sprachförderung durch Musik, ein Grundschullehrkonzept, Arbeit an Musikschule und Musiktheater – ein abwechslungsreicher Blick auf das, was zu tun ist und schon getan wird. In Qualität und Umfang der Beiträge eine bereichernde Lektüre.
Andererseits lässt sich das Buch sowohl als Materialsammlung zu den genannten Aspekten gebrauchen, als auch mit Blick in die Tiefe des eigenen Musiklehrens lesen. In den praktischen Beiträgen gibt es eine Fülle von Unterrichts­tipps, die man oft in Kongressberichten ­ver­misst. Beispielsweise finden sich Sprechverse zur Stimmbildung für Kinder, Lieder, die die Vokalbildung fördern, auch wenn man sich über den pädagogischen Sinn von “Rechtschreibliedern” streiten könnte, kleine Lieder aus der Früherziehung, die mit aktivierenden Einbettungen ins Musizieren und Bewegen und kurzer Darstellung didaktischen Hintergrunds stimmige Modelle für Musikalisierung im frühen Grundschulalter darstellen.
Die eher theoretischen Grundlagen des Ganzen ruhen auf drei Säulen und sind hochspannend. Die Statistik wird vertreten durch den Bericht über ein Frühförderungsprojekt in Frankfurt 07/08, das u.?a. besondere Auswirkungen auf die Konzentrations- und Sensibilisierungsfähigkeit der Kinder hatte. Wer eine Universität oder Hochschule in der Nähe hat, die solch ein Projekt nachahmen könnte, sollte diesen Bericht lesen.
Der zweite schwergewichtige Beitrag stammt von Hans Günther Bastian, der hier einmal mehr die Vorurteile und Missverständnisse zu seinen vieldiskutierten Forschungsergebnissen zurechtrückt. Kinder brauchen Musik wie die Luft zum Atmen – Musik als Erfahrungsraum von Sinnlichkeit und Sinn, so heißt sein abgedruckter Vortrag, der jenseits von „Musik macht klug“-Sottisen deutlich macht, dass Musik ein nicht austauschbarer Wert an sich ist. Im Mittelpunkt steht aber die Notwendigkeit von ästhetischer Erfahrung speziell von Musik, um etwa beim musikalischen Spiel ein anderes “Bei-sich-sein” im Klangraum zu erleben.
Der Beitrag des Anthropologen Rudolf Vogl – “fürs Leben vorbereiten” – bietet die größte Überraschung des Buchs. Hier wird auf einer gleichermaßen anschaulichen wie theoretisch fundierten Grundlage nichts weniger versucht, als die Individualität der Lehrenden für diese selbst durchschaubar zu machen. Sinngemäß wird ausgeführt: Lerne dich kennen und du weißt, wie du erfolgreich unterrichten kannst.
Wir PädagogInnen haben in Zukunft unsere Handlungsfähigkeit besser zu erkennen und zu stärken, wenn wir die Kinder in der unübersichtlicher werdenden Welt wirksam begleiten wollen. Dafür sind solche Projektwochen wie die in Frankfurt und die sie begleitenden Bücher gute Anstöße.

Meinhard Ansohn