Ballard, Louis W.

Native American Indian Songs

Taught by Louis W. Ballard

Thema: Bücher
Verlag/Label: The New Southwest Music Publications, Santa Fe, New Mexico, USA 2004
erschienen in: Musik in der Grundschule 2009/03 , Seite 55

Der amerikanische Komponist, Musikethnologe und Pädagoge Louis W. Ballard (1931-2007) hat mit seinem Handbuch Native American Indian Songs eine sehr instruktive und in mancher Hinsicht überraschende Sammlung indianischer Lieder aus Nordamerika veröffentlicht.

Überraschend ist zunächst die Vielfalt der 27 Lieder aus allen Teilen Nordamerikas, von Alaska bis Florida. Zur indianischen Bevölkerung in den Vereinigten Staaten von Amerika zählen heute wieder etwas mehr als zwei Millionen Menschen. Sie gehören zu mehr als 200 Stämmen mit unterscheidbarer Kultur. So gibt es, Hollywoods geballter medialer Wirkung zum Trotz, nicht den Indianer und auch nicht die eine indianisch-amerikanische Musik.
Ballard, Quapaw und Cherokee, hat in mehr als fünfzig Jahren den amerikanischen Doppelkontinent bereist und gesammelt, studiert und transkribiert, was von der indigenen Musikkultur Amerikas geblieben ist. Hier hat er eine Sammlung vorgelegt, wie sie bislang nicht erhältlich war. Die vertretenen Ethnien sind: Paiute, Eskimo-Inuit, Seminale-Creek, Pueblo-Tewa, Lakota-Dakota, Navajo-Dine, Pueblo-Taos, Apache, Osage, Shawnee, Ute, Pima-Maricopa, Arikara, Tsimshian, Kalallam, Iroquois, Mojave, Kiowa (2), Ponca, Comanche-Otoe, Tlingit und Choctaw.

Diese Sammlung räumt mit dem Vorurteil einer primitiven Musik auf. Der Stil ist monofon linear, die Form meist zwei- bis dreiteilig repetitiv und zur Begleitung gibt es nur Schlaginstrumente. Neben der Pentatonik gibt es andere, non-okzidentale Skalen (di-, tri-, tetra- und hexatonisch). Der Ambitus kann bis zur Duodezime reichen. Regelmäßige Takte sind eher die Ausnahme. Die Lieder sind mit Taktwechseln auf kleinem Raum rhythmisch oft sehr differenziert. Die Ausdrucksvielfalt ist groß je nach Herkunft, Gegenstand und Funktion der Lieder.
Der Aufbau ist übersichtlich: Einleitend stellt der Autor sich selbst und sein Anliegen vor und gibt eine knappe Einführung in die Musikkultur der indigenen Amerikaner. Der Notentext der Transkriptionen enthält die Melodie, den Liedtext und den Rhythmus der Begleitinstrumente. Jedes Lied wird ausführlich kommentiert mit Angaben zur Form, zur Melodie, zum Rhythmus und der Ins­trumentalbegleitung, zur Sprache, zur Methodik und zum Schwierigkeitsgrad. Wo mö¨glich, werden der Tanz beschrieben und Vorschläge zur Choreografie gemacht. Ausführlich wird die Geschichte des jeweiligen Volks und der kulturelle Zusammenhang des Lieds dargestellt und ästhetisch bewertet. Die Texte sind teilweise mit Fotografien und Gedichten illustriert.

Auf zwei CDs sind die Lieder dem methodischen Aufbau entsprechend eingespielt. Ballard singt die Lieder selbst, auf einer Aufnahme ist Patsy Cassadore von den San Carlos Apache zu hören, auf zweien die Schulkinder einer vierten Klasse der Kenilworth School in Phoenix, Arizona, mit denen Ballard vier der Lieder zur Vorbereitung dieser Edition erarbeitet hat. Die stimmliche Qualität wirkt angenehm und instruktiv.

Im Anhang findet sich eine ausführliche Bibliografie. Das Handbuch wird in einer Box geliefert, der eine Sammlung von 20 historischen Foto­tafeln beigefügt ist. Weil es alle fachlichen Erwartungen an eine Einführung in die Musik des indigenen Amerika erfüllt und mit Erklärungen der Fachbegriffe allgemein verständlich geschrieben ist, eignet es sich für den Unterricht vom Kindergarten bis zur Hochschule und Universität.

Egfried A. Schreiber