Gagel, Reinhard / Matthias Schwabe (Hg.)

Expressiv & explOHRativ

Musikalische Improvisation in der Schule (= Reihe Improvisierte Musik & Kreative Musikpädagogik, Bd. 1)

Thema: Bücher
Verlag/Label: Books on Demand, Norderstedt 2013
erschienen in: Musik in der Grundschule 2014/01 , Seite 55

Dem für den musikalischen Erfahrungshorizont eines heranwachsenden Kindes äußerst wertvollen Bereich der freien Improvisation widmet sich die Publikation "expressiv & explOHRativ". Das Buch versteht sich als Auswertung eines Projekts der Lilli-Friedemann-Stiftung (Trägerin des exploratoriums berlin). Die vorliegende Dokumentation setzt sich zum Ziel, Improvisationsmodelle vorzustellen, die frei von verbindlichen stilistischen Vorgaben sind und das musikalische Material für alle TeilnehmerInnen zugänglich gestalten.

Das Buch stellt die Beschreibung von vier Projekten in den Mittelpunkt, die von allgemeinen Einschätzungen und Beobachtungen zur freien Improvisation im Klassenverband sowie von einer transkribierten Symposion-Abschlussdiskussion begleitet werden. Ariel Shibolet bringt mit ihrem Ansatz ideenreiche Modelle zur freien Improvisation ein. In ihrem Klangstruktur-Modell zeigt sie elementare Voraussetzungen zur Umsetzung einer persönlichen Klangrealität. In einem weiteren Projekt finden sich wertvolle Spielideen, die als Heranführung an „magische Momente“ zu verstehen sind. In einer dritten Dokumentation werden das musikalische und soziale Lernen in einer Grundschulklasse deskriptiv erfasst sowie in „Ohr aufs Herz“ die Vorstellung improvisierter Klangbilder, die sich an reformpädagogischen Vorbildern orientieren. Wenngleich Reinhard Gagels Plädoyer für Gruppenaktivität als Performance-Erfahrung und nicht zuletzt als „Soziale Kunst“ unbedingt beizupflichten ist, so sieht sich dieser kreative Ansatz in der Schulpraxis Grenzen ausgesetzt, die   die Einhaltung eines engen zeitlichen und inhaltlichen Rahmens reglementieren. Zu diskutieren bleibt daher die Frage nach entsprechenden Freiräumen zur Entfaltung freier Improvisationsformen.

Das Buch ist als Ideengeber – buchstäblich explorativ – zu verstehen und bietet einen reichen Erfahrungsschatz. Die Stärken des Ansatzes liegen in der Vorstellung von Entfaltungsmöglichkeiten im Hinblick auf Fragen, für die der Musikunterricht an Regelschulen bislang wenig Zugänge bereithält. Die Publikation ist daher als wichtiger Denkanstoß zu werten. Denn um die Individualität unserer Kinder ernst zu nehmen, kann gerade die freie Improvisation eine existenzielle Grundlage bereitstellen.

Magnus Gaul