Löttgen, Lötti

Wir sind Chinesen von weit her

Anleitung für eine einfache Akrobatiknummer zu einem Zirkuslied - ab Klasse 3

Thema: Aufsatz
erschienen in: Musik in der Grundschule 2000/01 , Seite 06

Was aber ist ein Zirkus ohne Musik? In meiner Arbeit als musikalische Leiterin im Bremer Kinder- und Jugendprojekt Circus Tohuwabohu im Bürgerhaus Vegesack habe ich immer wieder festgestellt, wie schwierig es ist, die passende Musik für junge Clowns und Artisten zu finden. Musik soll die Wirkung der Zirkusnummer unterstützen und Artisten und Zuschauer gleichermaßen “bewegen”. Im Zirkusspiel mit Kindern darf die Musik jedoch keine Erwartungen beim Zuschauer wecken, die Kinder nicht erfüllen können (es sei denn in Clownerien oder Persiflagen), sonst schwebt die Musik über der Darbietung, ohne eine Verbindung mit dem Vorgeführten einzugehen. Das könnte die Darbietung der Kinder “erschlagen”.

Bei der Musikauswahl habe ich deshalb darauf geachtet, dass die Musik die Darbietung trägt und den Kindern eine Hilfe bietet, sich in die jeweilige Stimmung zu versetzen. (Das Lied “Wir sind Chinesen von weit her” stammt aus dem Aktionsliederbuch mit CD Zirkus Zirkus von Lötti Löttgen, Lilienthal/Bremen 1999.)

Atmosphäre und Einstimmung

Es ist ganz wichtig, für die Kinder eine Atmosphäre zu schaffen, die ihnen vermittelt, dass sie wirkliche Künstler sind. So können sie leichter in eine andere Rolle schlüpfen. Dies kann mit einer sehr schönen Übung geprobt werden: der Verbeugung zur Musik “Wir sind Chinesen von weit her”. Die Kinder sollen sich einzeln vor allen anderen Kindern verbeugen. Sie erspüren den ruhigen Charakter der Musik und entwickeln ihre eigene Mimik, Gestik und Haltung beim Gehen durch einen (imaginären) Zirkusvorhang und der anschließenden Verbeugung vor dem Publikum. Die Kinder haben so die Möglichkeit, sich in einer klar umrissenen Aufgabenstellung künstlerisch auszudrücken. Das Ernstnehmen der Verbeugung verstärkt auch ein Ernstnehmen der eigenen Persönlichkeit.

Und: Wer sich verbeugt, hat Spannung im Körper, das ist wichtig für die Akrobatik und überhaupt für jegliches Vorführen.

Der Anfang – kein Problem!

Zuerst sollte sich die Lehrkraft mit den akrobatischen Übungen beschäftigen. Wichtig ist, dass der Lehrer die Grundübung, den Bankstand, selbst einmal ausprobiert hat. Keine Angst, die Übungen sind alle auch für Ungeübte durchführbar – auch für Erwachsene. Wie wäre es z. B. mit einer Lehrerakrobatik als Überraschung für die Kinder? Hat man sich den Aufbau und Abbau der Übungen vor Augen geführt, dann erschließt sich auch die Liedbeschreibung sehr schnell, denn sie entspricht exakt dem jeweiligen Auf- und Abbau der Übungen. Ich habe den Beschreibungen lediglich Verbeugungen und die Trippelschritte als Übergang zur nächsten Position hinzugefügt.

Die Praxis

Für die Praxis mit den Kindern empfehle ich zum Aufwärmen und Einstimmen folgende Übungen für Körperspannung und Vertrauen:

Die Verbeugung (siehe weiter oben)

“Toter Mann”: Ein Kind liegt flach auf dem Boden, die Arme liegen am Körper an. Das Kind soll den ganzen Körper anspannen, dabei weiteratmen. Es wird von einem zweiten Kind an den Fußgelenken so weit angehoben, bis nur noch Kopf und Schultern den Boden berühren. Dann wird es vorsichtig wieder abgelegt. Dieses Beispiel zeigt: Wer sich nicht hängen lässt, eine gewisse Körperspannung besitzt (nicht zu verwechseln mit Steifheit), ist leichter zu heben und als oberer Partner leichter zu (er-)tragen.

Die erste akrobatische Übung sollte der “Bankstand” sein, Grundlage vieler akrobatischer Übungen. Aus dem “Bankstand” entwickelt sich die Bankpyramide. Der Lehrer sollte den Kindern erklären, wo die oberen Partner sich knien und abstützen dürfen. Die Kinder können das am besten nachvollziehen, wenn sie bei sich selbst und beim Partner fühlen, wo sich am Rücken Nieren und Wirbelsäule befinden, an welchen Stellen man also nicht stehen darf, weil es sehr weh tut.

Die nächste Übung ist die “Dreier-Kniepyramide mit Seitenhilfe”. Anhand dieser drei Übungen lassen sich die Grundprinzipien gut erklären und die nachfolgenden Übungen leichter zusammenstellen und aufbauen.

Auf folgende Dinge sollte geachtet werden:

Erst wenn alle Übungen sicher und ruhig auf- und abgebaut werden können, wird mit Musik geübt, damit bei der Einstudierung mit Musik keine Hektik entsteht – die Gefahr, dass die Kinder sich und anderen weh tun, ist zu groß.

Von Anfang an sollte jedes Kind seine Positionen kennen.

Die Partner befinden sich immer nebeneinander.

Wenn etwas weh tut, sollte das sofort gesagt werden, damit der Obermann seine Position korrigieren kann.

Jeder ist wichtig. Sicher, alle wollen lieber oben glänzen, aber oben kann niemand sicher stehen, wenn unten keiner die Oberen (aus-)hält oder seitlich stützt.

Kinder die “über” sind, präsentieren außen die jeweilige Pyramide. Darauf achten, dass nicht immer die Gleichen keinen Platz finden! Es ist nicht zu unterschätzen, welche Energie das Zirkusspiel bei manchem Kind frei setzt. Es geht um Zutrauen zu sich selbst, Vertrauen in andere und für manche bedeutet es großen Mut, sich in obere Gefilde zu wagen. Deshalb ist es von großer Wichtigkeit, nach Lösungen zu suchen, Kinder dennoch mit einzubeziehen, wenn sie irgend etwas nicht so schaffen, wie es gedacht ist oder sie sich vorgenommen haben. Beim Zirkusspiel kann jeder seinen Platz finden!

Die akrobatischen Kunststücke

Es sollte Körperspannung aufgebaut werden. Aber Achtung: Niemals auf der Wirbelsäule knien, stehen oder sich abstützen! Jede Übung wird vorsichtig auf- und abgebaut. Nicht einfach abspringen! Die Übungen werden in umgekehrter Reihenfolge abgebaut wie sie aufgebaut wurden.

Partnerbalance: Zwei möglichst gleich schwere Kinder stehen sich dicht gegenüber und fassen sich um Unter- oder Oberarme. Ziel ist es, mit gespanntem Körper langsam auseinanderzufallen, bis die Arme gestreckt sind. Je dichter die Füße der Partner zusammenstehen, umso schwieriger ist das Kunststück.

Zweier-Bankpyramide: Das untere Kind (möglichst kräftiger als das obere) kniet auf Händen und Knien. Der Blick ist nach vorne gerichtet und der Rücken ist gerade (kein Katzenbuckel oder Hohlkreuz!). Hände und Arme bilden jeweils einen rechten Winkel zum Rücken und sind leicht gegrätscht. Der obere Partner kniet mit den Unterschenkeln auf dem Po des unteren Partners und hält sich an dessen Schultern fest.

Dreier-Bankstand mit Seitenhilfe: Das obere Kind steht auf den Pobacken der unteren Partner.

Dreier-Kniepyramide: Bei den Beinen darf man entweder in der Hüftbeuge oder direkt hinter der Kniescheibe stehen – nicht auf dem Oberschenkelmuskel, denn das tut weh und der Untermann kann den Obermann schlechter ausbalancieren.

Sitzpyramide für Fünf: Zwei Kinder liegen Fuß an Fuß mit angestellten Beinen auf dem Boden. Die Knie sind geschlossen und die Füße leicht gegrätscht. Zwei weitere Kinder setzen sich auf die Knie. Der Fünfte steigt von hinten vorwärts auf die geschlossenen Knie und wird von den Sitzenden gehalten. Der Abstieg erfolgt rückwärts.

Sechser-Bankpyramide: Diesmal knien drei Kinder nebeneinander Po an Po. Das vierte und fünfte Kind kniet jeweils auf den inneren Pobacken der unteren Partner. Das sechste Kind steht hinter der Pyramide und stützt sich auf die Oberen.

Sechser-Dachpyramide: Ein Kind kniet in Bankstellung. Das zweite Kind steht auf den Pobacken des unteren Partners und wird von den links und rechts stehenden Kindern gehalten, ganz außen knien jeweils zwei Kinder. Diese Pyramide kann beidseitig zu einer großen Pyramide mit mehreren “Dächern” ergänzt werden.* Requisiten: Rutschfeste, harte Matten

Kostüme: Eng anliegende Kleidung

Schuhe: Am besten eignen sich Gymnastikschuhe, die allerdings nicht alle Kinder besitzen. Die oberen Partner sollten entweder barfuß oder mit eng anliegenden Socken auf ihre Partner klettern.

Verwendung der Musik auf der CD

Die Musik dient als Illustration der vorgeführten Kunststücke und verstärkt deren Wirkung. Folgende Vereinfachung ist möglich: Während der drei Strophen findet keine Akrobatik statt. Die Kinder singen die Strophen, und in den restlichen Liedteilen (Refrain “Mhm” und “Zwischenspiel”) findet die entsprechende Akrobatik statt.

Das Einfache ist oft das Großartige. Beim Einüben ist zu berücksichtigen, dass Kinder keine perfekten Artisten sind. Doch oft liegt gerade im Einfachen der Reiz einer guten Performance, und es wird eine Zirkusnummer entstehen, die bei den verschiedensten Gelegenheiten vorgeführt werden kann (beim Schulfest, im benachbarten Altersheim oder im Kindergarten). Wenn die Kinder in dem, was sie in der Manege vorführen, sicher sind, wird das Kunststück gelingen und sich die Spielfreude auch auf das Publikum übertragen. Aber auch ein kleines Kunststück will geübt werden, möchte mit Liebe vorgeführt werden und die Herzen der Zuschauer erreichen.

Und nun: Manege frei!

Ablauf

* Vorspiel:

6 Takte = In zwei Reihen in einen Halbkreis trippeln

2 Takte = Verbeugung im Halbkreis nach vorne

* 1. Strophe: Standwaage / Partnerbalance

2 Takte: Wir sind Chinesen … = Jeder Zweite trippelt ein wenig zurück

2 Takte: kamen übers weite… = Standwaage aufbauen

2 Takte: Wir sind Chinesen … = Standwaage abbauen

2 Takte: kamen übers weite … = Trippeln in neue Position (zu zweit gegenüber)

2 Takte: Wir sind Chinesen … = Partnerbalance aufbauen

2 Takte: fuhren manchmal … = Partnerbalance abbauen

2 Takte: Wir sind Chinesen … = Verbeugen nach vorne

2 Takte: kamen übers weite … = Trippeln in neue Position

* Refr.: “Mhm, mhm” Zweier-Bankpyramide

2 Takte: Mhm, mhm, mhm … = Einer kniet zum Bankstand

2 Takte: Mhm, mhm, mhm … = Partner kniet sich auf ihn

2 Takte: Mhm, mhm, mhm … = Übung halten

2 Takte: Mhm, mhm, mhm … = Partner klettert vorsichtig wieder runter

* Zwischenspiel 2 Takte = Unterer steht auf

2 Takte = Verbeugen nach vorne

4 Takte = In neue Position trippeln

* 2. Strophe Dreier-Bankstand mit Seitenhilfe

2 Takte: Wir sind Chinesen … = Jeweils zwei knien zum Bankstand

2 Takte: was wir machen, ist … = Jeweils links und rechts Hilfestellung

2 Takte: Wir sind Chinesen … = Weiteres Kind stellt sich auf beide Pobacken (mit seitlich ausgestreckten Armen – Hilfesteller halten)

2 Takte: was wir machen, ist … = Übung halten

2 Takte: Wir sind Chinesen … = Partner steigt vorsichtig ab

2 Takte: kommen nur für euch … = Untere stehen auf

2 Takte: Wir sind Chinesen … = Verbeugen nach vorne

2 Takte: was wir machen, ist … = Zur neuen Position trippeln (zu dritt /zu fünft)

* Refr.: “Mhm mhm” Dreier-Kniepyramide (ev. mit Seitenhilfe)

2 Takte: Mhm, mhm, mhm … = Aufstellung

2 Takte: Mhm, mhm, mhm … = Zwei knien sich hin

2 Takte: Mhm, mhm, mhm … = Dritter steigt von hinten auf die Knie/ev. Seitenhilfe

2 Takte: Mhm, mhm, mhm … = Übung halten

* Zwischenspiel

2 Takte = Oberer steigt vorsichtig ab und Untere stehen auf

2 Takte = Verbeugen nach vorne

4 Takt = Zur neuen Position trippeln (zu fünft)

* Instr.-Teil Fünfer-Sitzpyramide

2 Takte = Die beiden Unteren legen sich hin

2 Takte = Zwei weitere setzen sich auf deren Knie

2 Takte = Das fünfte Kind steigt auf die Knie der Sitzenden

2 Takte = Übung halten

2 Takte = Oberer steigt vorsichtig ab

2 Takte = Kniesitzer ziehen Liegende elegant hoch

2 Takte = Verbeugen nach vorne

2 Takte = In Position trippeln (zu sechst)

* 3. Strophe Sechser-Bankpyramide

2 Takte: Wir sind Chinesen … = Aufstellung

2 Takte: woll’n euch zeigen noch … = drei knien sich hin zum Bankstand

2 Takte: Wir sind Chinesen … = zwei knien sich auf die unteren Drei, der Sechste stellt sich hinter die Oberen

2 Takte: woll’n euch zeigen noch … = Übung halten

2 Takte: Wir sind Chinesen … = Obere steigen vorsichtig ab

2 Takte: freuen uns, ja freu’n … = Untere stehen auf

2 Takte: Wir sind Chinesen … = In einer Reihe nach vorne verbeugen

2 Takte: woll’n euch zeigen noch … = In Position trippeln (zu sechst)

* Refr.: “Mhm mhm” Sechser-Dachpyramide

2 Takte: Mhm, mhm, mhm … = Aufstellung (Bankstand, Stehen, ein Knie auf den Boden…)

2 Takte: Mhm, mhm, mhm … = Auf den Bankstand steigen und hinstellen

2 Takte: Mhm, mhm, mhm … = Übung halten

2 Takte: Mhm, mhm, mhm … = Obere steigen vorsichtig ab

* Zwischenspiel 2 Takte = Die anderen stehen auf

2 Takte = Verbeugen nach vorne

4 Takte = In zwei Reihen wegtrippeln oder erst wegtrippeln, wenn die Musik zu Ende ist

Hörbeispiele auf der CD

1 Wir sind Chinesen (Lötti Löttgen)

2 Wir sind Chinesen – Playback (Löttgen)