Carl, Thomas

Ohne Moos nix los …?!

Ein Unterrichtserlebnis zum Thema "Werbung und Geld" - ab Klasse 4

Wir begegnen Werbung überall: auf Bahnhöfen, in Einkaufszentren, an Litfasssäulen und Plakatwänden, in Schaufenstern und als bunte Inszenierung auf den Straßen. Aber nicht nur außer Haus, auch in den Familien begegnen wir ihr, denn Zeitungen und Zeitschriften, Radio und Fernsehen sind ihre wichtigsten Träger. Wobei das Fernsehen im Mittelpunkt steht, besonders die privaten Anbieter, die sich und ihr Programm durch Werbung finanzieren. Werbung im Fernsehen ist ein von enormem Wachstum gekennzeichnetes Geschäft: Während deutsche Fernsehsender im Jahr 1987 1,6 Milliarden Mark an Werbeeinnahmen erreichten, waren es 1996 bereits 6,3 Milliarden Mark und im Jahr 2000 wurde schon fast die 10-Milliarden-Schwelle erreicht. Werbung macht die (Kinder-) Welt bunt; aber ist diese bunte Welt auch in Ordnung?

Man gibt Geld aus, das man nicht hat, für Dinge, die man nicht braucht, um damit Leuten zu imponieren, die man nicht mag. (Walter Winchell)

Werbung: fünf Fragen – fünf Antworten (1)

Der vor kurzem verstorbene Soziologe Dieter Baake umriss den Themenkomplex „Kinder – Werbung – Musik” mit fünf Fragen und Antworten, die natürlich auch individuell veränderbar sind. Sie dienen hier als Einführung.

Warum mögen viele Kinder Werbung eigentlich so gern?

Nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene schätzen Werbung, wenn sie witzig und originell ist und für Waren wirbt, für die sie sich interessieren. Bei Kindern sind dies vor allem: Spielzeug aller Art, Süßigkeiten und Kleidung. Auch Kinder können schon unterscheiden. Sie mögen Werbung dann besonders gern, wenn ihnen das Produkt gefällt, die Werbung unterhaltend ist und „gute Sprüche” sowie Lieder anbietet, die sie zitieren und mitsingen können. Dann wird Werbung ein Stück ihrer Kinderkultur.

Warum sind Kinder für die Werbung überhaupt interessant?

Kinder verfügen schon im Grundschulalter über eigenes Taschengeld, und viele von ihnen haben sogar ein Bankkonto. Sie lernen schon früh, sich in der Warenwelt zu tummeln. Kinder fühlen sich in ihr wohl (genauso wie viele Erwachsene) und bekommen Anregungen dafür, was ihr Leben noch schöner, interessanter und abwechslungsreicher machen könnte. Auch Kinder sind heute Konsumenten mit eigenen Vorstellungen und Wünschen.

Erhöht Werbung die Konsumwünsche der Kinder?

Werbung kann durchaus die Anziehungskraft eines Produkts steigern. Aber sie tut dies nicht allein. Ebenso wichtig sind gleichaltrige Freunde und Cliquen, die für ein bestimmtes Produkt schwärmen, weil es bei ihnen „in” ist. Kinder, die „falsche Klamotten” tragen, werden manchmal als Außenseiter angesehen. Werbung ist also nur ein Teil einer Warenwunschwelt, die den Alltag von Kindern bestimmt.

Wissen auch Kinder schon, dass Werbung verkaufen will?

Die Mehrheit der Kinder weiß, dass Werbung ein Mittel von Firmen ist, um Produkte erfolgreich auf den Markt zu bringen. Auch kann ein Großteil der Kinder nachvollziehen, dass sich Radio, Printmedien und vor allem das Fernsehen durch Werbeeinnahmen finanzieren. Jüngere Kinder sehen in der Werbung vor allem Unterhaltung. Bei den älteren Kindern zeigt sich übrigens, dass diejenigen unter ihnen kritisch mit Werbung umgehen, die dies zu Hause von den Eltern gelernt haben oder sich auch in der Schule mit Werbung auseinander gesetzt haben.

Alles in allem: Wie gefährlich ist Werbung nun wirklich?

Werbung ist nicht „gefährlich”. Unsere Binnenmärkte leben unter anderem auch vom Konsum, und davon hängt ein Teil des Wohlstands unserer Gesellschaft ab. Werbung ist Bestandteil dieses Systems. Sie beschönigt manchmal und verschweigt die Schwächen eines Produkts. Sie kann uns eine Scheinwelt schöner machen und Menschen zeigen, die nicht in unseren Alltag passen. Kinder müssen lernen damit umzugehen. In der Regel wissen sie sehr wohl, was etwas kostet, wo etwas preiswerter zu finden ist, was sie sich und ihren Eltern an Kosten zumuten können. Elternhaus, Kindergarten und Schule können helfen, dass Kinder „mündige Verbraucher” werden: Kinder müssen immer wieder lernen und erfahren, dass die Qualität von Werbung genauso wie die Qualität von Produkten unterschiedlich ist. Kinder sind Werbekenner, wir müssen sie nur dazu erziehen, auch kritische Werbekenner zu werden.

Aber …

Werbung nutzt sich ab: Immer weniger Menschen (auch Kinder) schauen hin. Werbung ist außerdem bei den meisten Deutschen unbeliebt. Sie belästigt nicht nur durch Programmunterbrechungen, sondern verursacht bei Eltern Sorgen darüber, dass Werbung ihre Kinder zu übermäßigem Konsum verführt, zu einem „Immer mehr haben Wollen”: also zu kleinen Materialisten, die nur ans Geldausgeben denken.

Ziele von Musik in der Werbung

• Aufmerksamkeit erregen,

• Textaussagen gliedern,

• die Verarbeitung sprachlicher und visueller Reize erleichtern,

• Markenidentifikation schaffen,

• den Unterhaltungswert steigern,

• die Eindeutigkeit des Kommunikationskonzepts unterstützen,

• Stimmungen, Assoziationen und Fantasien entstehen lassen.

Formen von Werbemusik

Kurzmotive …

sind meist kurze und prägnante Instrumentalklänge (der Intel-Sound, der Microsoft-Sound oder der zur „Schneekoppe”-Werbung, fanfarenartige Klänge) und werden oft in Einleitungen von Werbespots benutzt, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

Werbeschlager …

sind hitparadengerechte Songs wie z. B. „Diebels Alt”, „Beck’s Bier” oder „Mentos”. Sie präsentieren die Werbebotschaft in gesungener Form und ziehen sich über die gesamte Dauer des Spots.

Hintergrundmusik …

ist die am meisten verbreitete musikalische Form. Meistens wird ein Text mit Instrumentalmusik unterlegt und tritt nur in Sprechpausen oder Unterbrechungen in den Vordergrund. Sie soll das Produkt unterstreichen, oft sogar eine feste Beziehung zum Gegenstand aufbauen. Mit ihrer Stimmungskulisse sollen Text und Bild zu einem harmonischen Ganzen verschmelzen. Bewusst werden Klischeevorstellungen und Assoziationen wach gerufen: Samba steht für lateinamerikanische Kultur, Country-Musik für Amerikas Wilden Westen usw.

Jingles …

sind musikalische Slogans die sich aufgrund ihrer geringen Zeitdauer besonders gut einprägen. Der Begriff stammt aus dem Englischen und bedeutet soviel wie „Geklingel”. Bekannte Jingles sind z. B. „Haribo macht Kinder froh …”, „Rei in der Tube”, „Meister Propper …” oder „Waschmaschinen leben länger mit Calgon”. Oft wird der zentrale Botschaftsinhalt oder ein bestimmter Marken-Slogan in Gesang umgesetzt, um den Wiedererkennungswert zu steigern.

Werbung, Fernsehen und Werbemusik in der Freizeit von Schulkindern

Die Schule, an der ich arbeite, liegt in Berlin-Mitte. Früher hieß das einmal Tiergarten, Ortsteil Moabit … Bezirksfusion … ja, eben früher! Sie liegt zwischen dem „Männer-Gefängnis” in Alt-Moabit (Erich H. war dort auch!) und dem „Frauen-Gefängnis” Lehrter Straße. Hinzu kommt ein Anteil an ausländischen Schülern von 70 Prozent.

Den Tagesablauf meiner sechsten Klasse (in Berlin geht die Grundschule bis Klasse sechs) möchte ich in Kürze erläutern:

Abgesehen vom Schlafen verbringen die meisten Kinder meiner Klasse ihren Tag in der Woche genauso wie am Wochenende möglichst vor dem Fernseher. Das ist nicht neu und dennoch erschreckend. Rechnen wir pro Stunde im Durchschnitt mit 14 Minuten Werbung, ergibt das an einem Wochentag 70 Minuten und am Wochenende 140 Minuten Werbung pro Tag – eine solide Basis für Werbemacher! Die beiden Diagramme zum Zeit-Budget sind das Ergebnis einer Befragung meiner Klasse.

Als Pädagoge bleibt mir manchmal nur die Erkenntnis, dass ich wenig bis nichts ausrichten kann. Ein Themenangebot wird jedoch immer angenommen: Geld, Musik und Werbung – ohne Moos nix los!

Das folgend vorgestellte „Unterrichtserlebnis” dient als Vorlage und soll helfen, ein überschaubares Programm von ca. 15-20 Minuten mit Ihren Schülern einzustudieren! Darüber hinaus lassen sich vielfältige Variationen und Erweiterungen denken.

Hinweise zu den Musikstücken

Sprechkanon „Kaufrausch” (M. Ansohn / M. Czyborra)

Die Klasse wird in vier Gruppen eingeteilt. Zuerst spricht jede Gruppe den Text allein und führt dabei die angegebenen Bewegungen aus, anschließend folgt der Ablauf im Kanon (siehe Notenbeispiel auf Seite 11):

Gruppe 1: „Kaufen, kaufen, kaufen, kaufen” (2x): Faust im Rhythmus zeigen.

Gruppe 2: Kauf dies, kauf das, kauf jenes auch!” (2x): Einzelne Finger zeigen.

Gruppe 3: „Du weißt doch, dass ich’s brauche, dass ich ohne das nicht sein kann!” (2x):

Bei „weißt” 1x mit dem Fuß stampfen, bei „ohne” die Arme in die Seite stemmen!

Gruppe 4: „Erst dies hier, dann das da, dann jenes noch!” (2x): Bei „dies” den linken Arm nach oben, bei „das” den rechten Arm nach oben strecken, bei „jenes” beide Arme nach oben, bei „noch” beide Hände auf die Knie fallen lassen.

Rap: Kaufrausch (Felix Janosa)

Drei Solisten rappen jeweils eine Strophe, beim Refrain agieren alle im „Gruppenrap”. Der Sprechrhythmus erschließt sich am besten beim Hören der Originalaufnahme (vgl. CD zu diesem Heft). Er kann aber auch nach eigenem Belieben von den Schülern, die die Strophe rappen, selbst gestaltet werden, denn er birgt keine großen Schwierigkeiten. Beim Gruppenrap müssen sich allerdings alle auf einen Rhythmus einigen. Auf eine Notation der Sprachrhythmik wurde deshalb verzichtet.

Zu den Liedern „Hier spricht dein Taschengeld” (Meinhard Ansohn) und „Kaufrausch” (ebenfalls Meinhard Ansohn) gibt es keine besonderen Aufführungshinweise.

Hörbeispiele auf der CD

1 Kaufrausch (Meinhard Ansohn)

2 Kaufrausch – Playback zum Lied

3 Hier spricht dein Taschengeld (Meinhard Ansohn und Kinder der Paul-Klee-Schule, Berlin)

4 Hier spricht dein Taschengeld – Playback

5 Kaufrausch, Rap (Felix Janosa)

6Kaufrausch, Rap-Playback

Anmerkungen:

(1) Dieter Baacke, Fakultät für Pädagogik an der Universität Bielefeld: Werbung: 10 Antworten (aus dem Internet)

(2) nach einem Gedicht von Christiane Allert-Wybranietz

Ohne Moos nix los …?!

Ein Unterrichtserlebnis von Thomas Carl

Alle: sprechen zu Beginn ihren Namen oder ein Produkt aus der Werbung und werden dabei immer lauter. Zum Schluss erklingt eine Trillerpfeife.

Saskia: Wo bleibt der Deinhard?

Alle: Deinhard (?), Müller (?), Günter (?), Kurt (?), 2 – 3 – 4: Häääääääää ???

Nadine: (guckt die Leute an und fragt dann Sara:) Was machen die denn alle hier?

Sara: Na, hier läuft gerade eine Klassenfeier!

Nadine: Klassenfeier, in der heutigen Zeit? Das gibt’s doch nur noch ganz selten!

Farid: Wirklich kaum zu glauben. Normalerweise arbeiten Lehrer und Lehrerinnen doch nur vormittags … sagen jedenfalls die Leute immer.

Sara: Ja, aber guck’ doch mal, hier scheint so etwas noch zu gehen! Apropos Gehen: Was suchst du denn die ganze Zeit?

Julian: Ich suche mein E-on. Bekannt aus Radio, Funk und Fernsehen. Ihr wisst doch, das mit der Wasserkraft! Wo ist mein E-on?

Saskia: Wo bleibt der Deinhard?

Bayram: gesungen:) Meister Propper putzt so sauber, dass man sich drin spiegeln kann, Meister Propper!

Esra: Sag mal, spinnen die hier alle? Was hat denn die ganze Werbung mit dem Programm zu unserer Klassenfeier zu tun?

Sara: Na ja, heute geht eben alles mal um Werbung. Und außerdem: Hättet ihr eine bessere Überleitung zu unseren folgenden Stücken gehabt ?

Alle: Nööööööööö.

Benny: Mein Einkaufskorb muss Löcher haben! Im Supermarkt kaufte ich Zahnpasta, Brot, Seife, Parfüm, Haushaltstücher, Marmelade, Tiefkühlgerichte, Badezusätze, Kekse und noch allerlei …

David: Zu Hause suchte ich zwischen Verpackungen und Produkten nach der Freiheit, der Frische, den Abenteuern, der Liebe und all den anderen Glücksgefühlen, die man mir nach Erwerb dieser Sachen versprochen hatte.

Nino: Als ich dann den Sekt für Verliebte allein trank, abenteuerduftende Zigaretten vorm TV-Western rauchte, als sich niemand sofort in mich verliebte, obwohl ich das betörendste Parfüm trug (so stand es auf der Packung)(2) und als ich feststellte, dass die Putzmittel die Arbeit doch nicht von allein machten, sagte ich mir:

Alle: Mein Einkaufskorb muss Löcher haben …

Alle: (gesungen:) 3 – 4 – Haribo macht Kinder froh, und Erwachsne ebenso!

Alle: Lied „Kaufrausch” (Meinhard Ansohn)

Julia: Ich suche mein E-on!

Julian: Ja, ich suche auch noch mein E-on!

Julia: Ich bin doch nicht blöd!

Alle: (gesungen:) 3 – 4 – Waschmaschinen leben länger mit Calgon!

Alle: (gesprochen:) 3 – 4 – Wir sind die Guten!

Saskia: Wo bleibt der Deinhard?

Alle: Sprechkanon „Kaufrausch” (M. Ansohn / M. Czyborra)

Metin: Kaufen um zu kaufen?

Antonia: Mehr als man tragen kann?

Metin: Kaufen, was man nicht braucht?

Antonia: Nur aus Lust am Kaufen?

Metin: Kaufen, weil man nicht mehr aufhören kann?

Antonia: Weil man süchtig werden kann beim Geldausgeben?

Metin: Kaufen, weil man vor Kauflust nicht mehr nachdenkt?

Antonia: Weil man vor dem Kaufen vergisst zu überlegen, was man braucht?

Metin: Kaufen, weil das einzige Stoppzeichen ein leeres Portmonnee ist, wenn man nicht aufpasst?

Cihan: Mach mal den Weg frei!

Nadine und Sara: Was soll das? WIR machen den Weg frei! Und überhaupt: Wo willst du denn hin?

Cihan: Ich geh T-Online.

Kevin: Wohin gehst Du?

Cihan: Ich geh T-Online – wohin denn sonst!

Mustafa:Ja, da sind viele Menschen hingegangen – und heute finden sie nicht mehr zurück!

Serkan: Was soll denn das bedeuten?

Alle: (gesprochen:) 3 – 4 – Die sind fast pleite!

Sarah: Apropos Pleite! Geht dir das auch immer so? Kaum hab ich mein Taschengeld bekommen, ist’s schon wieder weg!

Gülcin: Ja, kenn ich! Egal ob wir die monatliche Auszahlung vereinbaren oder ich wöchentlich auf das Geld hoffe. Wie kommt das eigentlich?

Diana:Gute Frage, wer weiß, aber ich kenne dazu ein Lied. (Zum Publikum:) Wollen Sie mal hören?

Alissa: Hier spricht dein Taschengeld.

Alle: Lied: „Hier spricht dein Taschengeld” (Meinhard Ansohn)

Alida: Aber wenn man schon Taschengeld hat, dann soll man es doch auch unter die Leute bringen – oder?

Tobias: Und warum? Nur weil man cool sein will und andere Leute einem sagen wollen, was in oder out ist?

Alle: (laut) Nur die anderen haben das Sagen?

Alle: Rap „Kaufrausch” (Felix Janosa)

Sebastian: Man gibt Geld aus, das man nicht hat, für Dinge, die man nicht braucht, um damit Leuten zu imponieren, die man nicht mag.

Kemal: Schön, dass wir mal darüber geredet haben.

Alle: Aber sind wir nicht alle ein bisschen Bluna?????

Man gibt Geld aus, das man nicht hat, für Dinge, die man nicht braucht, um damit Leuten zu imponieren, die man nicht mag. (Walter Winchell)